Breiter Konsens
WORMS Der Wormser Stadtrat hat in seiner letzten Sitzung mit breiter Mehrheit den Haushaltsentwurf für das Jahr 2023 genehmigt und beschlossen.
In einer für alle Bürgerinnen und Bürger schweren Zeit mit hoher Inflation und Zukunftsängsten, ist es uns gelungen, einen breiten Konsens zu finden, der es der Stadt ermöglicht trotz immenser „Zwangsaufgaben“ gerade im sozialen Bereich, noch Möglichkeiten zu kreieren, um Investitionen in vielerlei Bereichen zu tätigen.
Dr. Klaus Karlin, Sprecher der CDU im Stadtrat, hat dies in einer bemerkenswerten Rede untermauert und erläutert. Im Folgenden die Rede Dr. Karlins in Auszügen.
Verehrte Mitbürgerinnen und Mitbürger, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir, der Stadtrat musste vernehmen, dass wir als Stadt Worms ein strukturelles Defizit allein im Sozialhaushalt von rund 90 Millionen Euro zu bewältigen haben und diesem Aufwand lediglich 23 Millionen Euro sogenannte „freiwillige Leistungen“ gegenüberstehen stellen können.
Haben wir im letzten Jahr noch gehofft, die wirtschaftlich und gesellschaftlich einschneidende Coronakrise zu überwinden, hat uns das Jahr 2022 in Europa mit einem Angriffskrieg konfrontiert, der den Krieg wieder als legitimes Mittel der Politik zur Durchsetzung eigener Ziele postuliert. Dieser Krieg kam für viele überraschend; einige hat er aufgeweckt, die Friedensphantasien der Linken hat er entlarvt. Und ganz Europa, besonders aber auch Deutschland, steht militärisch ziemlich nackt dar. Hier hat sich leider wieder bewahrheitet, was der alte Platon (Nomoi VIII, 829 St.2 A) schon beschrieben und Cicero 43 v. Christus postuliert hat: si vis pacem, para bellum; Wer Frieden will, der bereite sich auf den Krieg vor! Alles andere ist Wunschdenken.
Wir leben in einer Zeitenwende, so hat es unser aller Bundeskanzler Olaf Scholz gleich zu Beginn des Krieges mitgeteilt. Doch in Berlin arbeitet man unverdrossen weiter an der Umsetzung eines Koalitionsvertrages, der nicht für Krisen gemacht ist, sondern für die Zeit von „Friede, Freude, Eierkuchen“. Es werden Wohltaten verteilt, wie eine üppige Rentenerhöhung und das Bürgergeld. Diese Errungenschaft kostet uns in Worms bereits im ersten Anlauf drei weitere Stellen im Stellenplan, die wir finanzieren müssen, und eben nicht der Bund. Und ich gehe davon aus, dass weitere Kosten in 2023 auf unseren Sozialetat und Sie, Herr Beigeordneter Herder zukommen und nachgeschoben werden.
Um es klar zu formulieren, ich fühle mich als Kommunalpolitiker schon seit geraumer Zeit von Bund und Land im Stich gelassen. Das fängt damit an, dass es strukturiert bestimmte Förderprogramme für Kommunen gibt, mit denen letztlich Pflichtaufgaben bezahlt werden. Strukturierte Förderprogramme für Pflichtaufgaben sind aber nur dort nötig, wo die Finanzierung nicht ausreicht, weil das Land den Kommunen für die aufgegebenen Pflichtaufgaben kein Geld zur Verfügung stellt.
So beantragen wir mit sehr viel Aufwand als Kommune einen Zuschuss, der wieder mit viel Aufwand geprüft und vielleicht irgendwann auch beschieden wird. Reinhard May hat´s schon besungen; der Antrag auf Erteilung eines Antragsformulars!
Die Sachlage im Ahrtal bestätiget diesen bürokratischen Müll. Auch dort sitzen Viele noch auf dem Antragsformular - trotz aller gegenteiligen Versprechen. Im Fernsehen war darüber erst kürzlich eine beeindruckende Doku zu sehen.
Ich fordere daher die Abgeordneten aller Parteien auf Landes- und Bundesebene mit Nachdruck auf, auf diesen strukturellen Missstand endlich einmal konsequent und im Schulterschluss mit den kommunalen Vertretern hinzuweisen.
Kommunen repräsentieren freiheitlich-demokratische Grundordnung an der Basis
Die Auftraggeber aus Bund und Land müssen endlich erkennen, dass es die Kommunen sind, die an der Basis die freiheitlich-demokratische Grundordnung vertreten und repräsentieren. Der Staat in seiner Gesamtheit lebt vom Engagement seiner Bürgerinnen und Bürger. Dieses Engagement zeigt sich in der ehrenamtlichen Arbeit bei den Rettungsdiensten, bei den Vereinen, in den betreuenden Grundschulen, in unseren Ortsbeiräten, bei unseren Ortsvorsteherinnen und Ortsvorstehern. Aber uns will man nun vorschreiben, dass wir darüber nachdenken sollten, die wenige Unterstützung, die wir in diesem ehrenamtlichen Bereich noch leisten können, doch besser auch zu lassen, da es sich dort um „freiwillige Leistungen“ handelt. Das ist grotesk und geradezu widersinnig. Da werden wir auch nicht mitmachen!
Mein Vorwurf geht nicht an die ADD, die nur nach den Haushaltsgrundsätze-Gesetz ihre Arbeit macht. Er richtet sich an all diejenigen, die den Kommunen immer neue Aufgaben aufdrücken, ohne diese ausreichend zu finanzieren, und die gleichzeitig durch gesetzliche Regelungen und Vorgaben die Kommunen gängeln und strangulieren.
Auch wir sind hier im Rat „nur“ ehrenamtlich tätig; aber doch mit Engagement und Herz für unsere Stadt, diesen überschaubaren Bereich unseres Lebens, der unsere Bürgerinnen und Bürger unmittelbar berührt; und wir sind der Prellbock, wenn etwas nicht gut läuft, auch wenn die Berufsstrategen in Mainz und Berlin die Sache zu verantworten haben.
Auf Bundesebene:
- haben wir einen Bundeskanzler. Dieser hat den erstaunten Bürgerinnen und Bürgern vor Kurzem als Finanzminister noch erläutert, das Sparbuch sei die beste Anlageform; er würde das auch so machen.
- haben wir einen Wirtschaftsminister, der meint, eine Insolvenz dadurch abwenden zu können, dass das Unternehmen keine Aufträge mehr ausführt oder seinen Betrieb einstellt
- haben wir eine Verteidigungsministerin, die nicht weiß, wie ein Panzer aussieht und gleichzeitig meint, sie müsse sich nicht mit den Rangabzeichen der Bundeswehr befassen
- und haben wir eine Außenministerin, die meint, dass am deutschen Wesen die Welt genesen sollte (das hatten wir bereits unter Wilhelm II; und das ging schief).
Aber einen in dieser Regierung, den können wir sehr, sehr gut, gebrauchen, und Herr Stadtkämmerer Soller, da geben sie mir sicher Recht. Und das ist der Zaubermeister des Sondervermögens, unseren verehrten Finanzminister Christian Lindner.
Kritik an "Sondervermögen-Zaubermeister"
Allein der Begriff Sondervermögen im Haushaltsrecht ist bereits ist eine geniale Verschleierung.
Unter Sondervermögen versteht man üblicherweise das Anlagekapital der Fondsanleger, das rechtlich vom Vermögen der Investmentgesellschaft getrennt ist; also echtes Vermögen.
Bei Herrn Lindner wird daraus ein wirtschaftlich verselbständigter Nebenhaushalt zur Erfüllung bestimmter Aufgabe; also Kosten statt Invest.
Ich frage mich, Herr Soller, was die Damen und Herren der ADD über Sie, als Zaubermeister des Sondervermögens sagen würden, wenn wir die uns allen so wichtigen, und tatsächlich zukunftsweisenden und in die Zukunft investierenden Sonderaufgaben in Sondervermögen stecken:
die Kosten der Kinderbetreuung,
die Bauten für Kitas und Schulen,
die soziale Betreuung von Kindern und Jugendlichen
der soziale Wohnungsbau
das wären doch alles „Sondervermögen Zukunft“.
Und das Geniale; das läuft dann außerhalb des Haushalts, also quasi keine Schulden?
Mir fällt da auch noch Weiteres ein:
- ein „Sondervermögen SchUM“, als Investition in die touristische Zukunft
- ein Sondervermögen „Schwimmsport“ für das Schwimmen lernen usw.
Lieber Kollege Neureuther, ich bitte, den Zaubermeister des Sondervermögens nach Worms einzuladen, um die Eckpunkte dieser Idee zu erläutern. Am besten, lieber Dirk Baier, laden wir den Bundeskanzler mit dazu ein; der hat die Wirtschaftlichen Zusammenhänge als ehemaliger Bundesfinanzminister auch durchschaut.
Dazu nochmals die Erläuterung vom 17. September 2019: „Ich lege mein Geld nur auf einem Sparbuch, also sogar auf dem Girokonto an und da kriege ich, wie bei allen anderen, keine Zinsen. Ich mache das, was einem kein Anlageberater empfiehlt.“
Aber die Landesregierung in Rheinland-Pfalz kann es auch:
1996 bildete die Landesregierung gezwungenermaßen eine Pensionsrückstellung, oder auch Pensionsfonds für die Altersvorsorge der Beamten, damit die nicht allein aus den künftigen Haushalten bezahlt werden müssen. Einlage damals: DM 5 Mio.; also sehr überschaubar, aber besser als nichts.
Die Ministerien zahlen seither auch einen Anteil der Gehälter der neu angestellten Beamten darauf ein. Das waren bis zu 500 Millionen Euro jährlich. Dadurch wuchs der Fonds auf 5,1 Milliarden Euro. Tatsächlich lag dort aber nicht wirklich Geld, sondern im wesentlichen Schuldscheine und zwar solche des Landes Rheinland-Pfalz. Das Land selbst hat sich bei seinem eigenen Pensionsfonds das Geld gleich wieder zurückgeliehen. Als Zaubermeister wies das Land dann dieser Einzahlungen als Investitionen aus. Dies ermöglichte es dem Land, neue Schulden zu machen – trotz Schuldenbremse. Eine Verschiebetaktik in zwei Richtungen, die in Wirtschaftskreisen als Bilanzfälschung verfolgt würde.
Und, wen wundert es, das hat auch der Verfassungsgerichtshof RLP mit Sitz in Koblenz so gesehen, als er Teile des Pensionsfonds, und damit gleich den ganzen Landeshaushalt 2014/2015 für verfassungswidrig erklärt und damit einer Klage der CDU-Opposition Recht gegeben hat (VGH RLP N 2/15, Urteil v. 22.02.2017). Man musste sich in Mainz also was einfallen lassen; und selbstverständlich ist auch was eingefallen; man hat den Pensionsfonds einfach aufgelöst und die Altersvorsorge für die Beamten wieder auf die zukünftigen Generationen geschoben, die ohnehin bereits sehr breite Schultern haben müssen.
Der Verfassungsgerichtshof hat in der Vergangenheit gleich mehrfach hintereinander festgestellt, dass die kommunale Finanzausstattung verfassungswidrig ist. Die Landesregierung in RLP verstößt also, durch Urteile des VGH RLP bestätigt, beständig und nachhaltig gegen die Verfassung; das scheint aber egal.
Die ADD aber, um darauf zurückzukommen, muss unseren Haushalt genehmigen, damit wir überhaupt handlungsfähig sind. Da steht was auf dem Kopf.
Und trotz all dem zum Schluss:
Es ist dem Stadtrat in den Vorbereitungen zu diesem Haushalt, in einem breiten Konsens und in Zusammenarbeit mit der Verwaltung, gelungen, den Haushalt so anzulegen, dass wir in die Zukunft von Worms investieren:
- Wir machen weiter bei den Kitas,
- wir machen weiter bei den Schulen,
- wir unterstützen weiter die Vereine
- wir versuchen alles, unsere Schwimmbäder zu erhalten und zu ertüchtigen und wir haben gerade Sporthallen ertüchtigt, beispielsweise in Pfeddersheim und bauen neu an der Carl Villinger Straße
- als Welterbe-, Nibelungen-, Dom- und Weinstadt bringen wir den Tourismus voran,
- es gelingt, wenn auch durch Corona gebremst, die Stadt im Schulterschluss mit Privaten in wesentlichen Quartieren voran; wie dem ehemaligen Rheinmöwe-Gelände, dem Domquartier und jetzt auch auf dem ehemaligen Schlachthofgelände am Rhein.
Richtig Gas geben müssen wir, lieber Timo Horst, In den Lüssen, auf dem Gleisdreieck in Rheindürkheim und besonders in Wiesoppenheim.
- wir organisieren derzeit den ÖPNV neu im Rahmen der anstehenden Neuausschreibung des Linienbündels. Die Taktung wird wesentlich verbessert. Eine äußere und eine innere Stadtrunde sollen eingerichtet und der Tierpark in die Linienführung eingebunden werden. Das ist zukunftsweisend. Aber auch hier können wir nur hoffen, dass nach der angeblichen Einigung zwischen Bund und Land, nicht wieder die Kommunen auf den Kosten des sog. „49,-- Euro-Tickets“ sitzen bleiben und Verbesserungen im ÖPNV unbezahlbar werden.
- und nicht zuletzt gestalten wir Verbesserungen in der Infrastruktur für unsere Fahrradfahrer. Die erste Etappe in Pfeddersheim ist auf dem Weg; am Eisbachtalradweg sind erste bauliche Veränderungen an den Straßenquerungen zu erkennen. Daneben laufen die abschließenden Planungsvoraussetzungen für die Asphaltierung der Eisbach- und Pfrimmtal-Routen.
Hier sind wir tatsächlich in 2023 im Endspurt und über den Antrag auf Erteilung eines Antragsformulars hinaus.
In Stellenplan gibt es Ausweitungen ausschließlich bei unabweisbarer Notwendigkeit im Bereich Feuerwehr und den Kindertagesstätten, sowie der IT und im Baubereich zur Umsetzung der notwendigen Maßnahmen.
Fehlt nicht an Phantasie oder dem Willen zum Sparen
Um es noch mal deutlich zu sagen:
Es fehlt weder der CDU-Fraktion noch dem Stadtrat an Phantasie und Kreativität oder dem Willen zum Sparen.
Allerdings sind die weitaus meisten Positionen unseres Haushaltes eben nicht „hausgemacht“. Der absolut größte Kostenblock ist der Sozialbereich, bei dem uns alleine rund 90 Mio. Euro fehlen, die nicht durch die Auftraggeber in Bund und Land bezahlt werden. Und demgegenüber hat die ADD die sog. „freiwilligen Leistungen“ auf rund 23 Mio. Euro begrenzt. Da liegt das Problem.
Trotz des aufgerufenen Fehlbetrages gehen wir daher davon aus, dass die ADD unsere Bemühungen anerkennt und die schwierigen Rahmenbedingungen wertet. Gleichzeitig, dass gerade auch wegen dieser Situation eine weitere Erhöhung von Steuern ausgeschlossen ist.
Bleibt mir am Schluss dem Stadtvorstand, und insbesondere auch unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unserer Stadt für die in diesem Jahr geleistete hervorragende Arbeit zu danken. Mir scheint, dass es gelungen ist, in den wichtigen Fragen einen Konsens auch zwischen Rat und Verwaltung herzustellen, der trägt. Aufgrund der unterschiedlichen Herangehensweisen kann es auch mal knirschen, solange die Diskussion geführt, wird, um ein gutes Ergebnis zu erreichen.
Dr. Klaus Karlin, Sprecher der CDU-Stadtratsfraktion
Unter dem Link: https://worms.gremien.info/vorlagen_details.php?vid=101011100071 können sich übrigens interessierte Bürgerinnen und Bürger den Haushaltentwurf der Stadt Worms ganz genau anschauen.